Chemienobelpreis 1914: Theodore William Richards

Chemienobelpreis 1914: Theodore William Richards
Chemienobelpreis 1914: Theodore William Richards
 
Der amerikanische Wissenschaftler erhielt den Nobelpreis für Chemie für die genaue Bestimmung des Atomgewichts zahlreicher chemischer Elemente.
 
 
Theodore William Richards, * Germantown (Pennsylvania) 31. 1. 1868, ✝ Cambridge (Massachusetts) 2. 4. 1928;1888 Promotion an der Harvard University in Cambridge;ab 1901 Professor in Harvard, dort ab 1903 Leiter der Fakultät für Chemie; forschte vor allem über relative Atommassen.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Für ein eher langweiliges Thema scheint der Amerikaner Theodore Richards 1914 den Nobelpreis für Chemie erhalten zu haben: »In Anerkennung der exakten Bestimmung der Atomgewichte einer großen Zahl chemischer Elemente« titelte das Nobelpreiskomitee. Hatte doch schon der Belgier Jean Servais Stas in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Atommassen sehr vieler Elemente bestimmt. Praktisch alle Chemiker damals waren sich einig, dass diese Werte sehr genau und zuverlässig seien. Zwar stellte Theodore Richards tatsächlich kleinere Fehler fest — aber vergibt man einen Nobelpreis für die Korrektur von Fehlern? In diesem Fall schon, weil sich nur mithilfe der genaueren Werte chemische Reaktionen exakt vorausberechnen und steuern lassen.
 
 Was ist die Atommasse?
 
Der Chemiker arbeitet pausenlos mit so genannten Atomgewichten. Laien führt dieser Name leicht in die Irre, denn genau genommen handelt es sich um relative Atommassen. Atome werden also nicht gewogen. Vielmehr hat Theodore Richards bestimmt, wie viel schwerer ein Atom eines bestimmten Elements als ein Atom Wasserstoff ist. Da Wasserstoff jedoch ein Gemisch zweier Isotope verschiedener relativer Atommassen ist, hat man diese Definition inzwischen geändert. Heute gibt die relative Atommasse an, wie viel schwerer ein Atom als ein Zwölftel der Masse des Kohlenstoffisotops 12 ist. Aufgrund dieser neuen Definition hat das Element Wasserstoff inzwischen anstelle der relativen Atommasse 1,000 die relative Atommasse 1,0079.
 
Laien mag dieser Unterschied vernachlässigbar erscheinen. Die Chemiker aber haben mit der neuen Definition bewiesen, wie wichtig ihnen die relative Atommasse ist. Der Grund dafür liegt darin, dass man praktisch nicht zählen kann, wie viele Atome sich in einer bestimmten Menge eines Elements befinden. Man kann eine bestimmte Menge eines Elements aber wiegen. Hält man so viele Gramm eines Elements in Händen wie seine Atommasse angibt, befinden sich in dieser Menge exakt 6,023 x 1023 Atome, hatte bereits der Österreicher Joseph Loschmidt 1865 festgestellt. In 1,0079 Gramm Wasserstoff schwirren also 6,023 x 1023 Wasserstoffatome umher. Wasserstoffatome lagern sich aus bestimmten Gründen immer zu zweit zu Molekülen zusammen. Deshalb befinden sich in 1,0079 Gramm Wasserstoff 3,0115 x 1023 Moleküle Wasserstoff. Das Gleiche gilt auch für alle anderen Elemente. Das Eisen zum Beispiel hat die relative Atommasse von 55,845. In einem 55 Gramm und 845 Milligramm schweren Eisenstück stecken exakt 6,023 x 1023 Eisenatome. Kennt ein Chemiker die relative Atommasse, kann er genau ausrechnen, wie viele Atome sich in einer bestimmten Menge dieses Elements befinden.
 
 Die genaue Zahl der Atommasse ist wichtig
 
Da man mithilfe der Atommassen die relative Molekülmasse ausrechnen kann, lässt sich die Loschmidt-Zahl auch auf Moleküle anwenden. So bilden zwei Wasserstoffatome mit der relativen Atommasse von jeweils 1,0079 und ein Sauerstoffatom mit der relativen Atommasse von 15,9994 ein Molekül Wasser mit einer relativen Molekülmasse von 18,0152. Anders formuliert: In 18,0152 Gramm Wasser schwimmen exakt 6,023 x 1023 Moleküle Wasser. Kennt man die Zusammensetzung eines Moleküls, lässt sich demnach leicht ausrechnen, wie viele Moleküle sich in einer bestimmten Menge dieser Substanz befinden.
 
Genau diese Zahl aber ist Chemikern wichtig, da bei einer chemischen Reaktion meist eine exakt definierte Zahl von Molekülen miteinander reagiert. Für eine vollständige Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff sollte ein Chemiker daher doppelt so viele Wasserstoffmoleküle wie Sauerstoffmoleküle in seinem Reaktionsgefäß haben, da zwei Wasserstoffmoleküle sich mit einem Sauerstoffmolekül zu zwei Molekülen Wasser verbinden. Andererseits erhält man mithilfe der Molekulargewichte und anderer Parameter häufig auch einen wichtigen Anhaltspunkt, welche bisher unbekannte Verbindung bei einer neuen Reaktion entstanden ist. Man muss dazu nur wissen, welche Mengen von Ausgangsstoffen (besser wie viele Moleküle) miteinander reagiert haben und welche Menge eines Produktes entstanden ist.
 
Aus dem Alltag eines Chemikers lässt sich die relative Atommasse demnach kaum weg denken. Deshalb waren die exakten Bestimmungen dieser Werte durch Theodore Richards auch so wichtig. Obendrein ermöglichten erst die präzisen Werte von Richards ein genaues Verständnis dafür, wie Atome eigentlich aufgebaut sind.
 
 Unter Berücksichtigung von Kleinigkeiten
 
Es waren meist Kleinigkeiten, die Richards berücksichtigte, um die Messung der relativen Atommasse exakter zu machen. So zeigte der Sohn eines bekannten amerikanischen Landschaftsmalers, dass kleine Mengen von Gasen, die in Festkörpern eingeschlossen sind, die Messungen entscheidend verfälschen. Der Tüftler erfand eine Apparatur, mit der er Substanzen wiegen konnte, ohne dass sie mit Luft in Berührung kamen. Oft reagieren nämlich einige Atome mit Sauerstoff zu so genannten Oxiden. Anschließend wiegt der Experimentator wider Erwarten nicht das reine Element sondern das Element, das mit einer unbekannten Menge von Oxiden verunreinigt ist.
 
Theodore Richards entwickelte auch das so genannte Nephrometer, mit dem er kleinste Mengen von Schwebeteilchen in Wasser bestimmen konnte. Bis 1912 hatte er mit seinen raffinierten Methoden die Atomgewichte von mehr als 30 Elementen mit einer bis dahin nicht bekannten Präzision gemessen. Der Nobelpreis 1914 kam für den Chemiker daher keineswegs überraschend.
 
Bereits vorher hatten seine Messungen in Fachkreisen eine Sensation ausgelöst. Die Atommasse von Silber hatte Jean Servais Stas mit 107,938 angegeben, Fachleute waren sich einig, dass dieser Wert bis auf die letzte Stelle korrekt war. Theodore Richards bewies das Gegenteil: Mit einer relativen Atommasse von 107,876 ist Silber erheblich leichter als bis dahin angenommen. Noch verblüffender war ein anderes Ergebnis. In radioaktiven Materialien hatte Richards eine relative Atommasse von 206,08 für Blei gemessen, in stabilem Gestein dagegen liegt dieser Wert bei 207,02. Auf chemischem Wege konnte man die offensichtlich verschiedenen Sorten Blei nicht voneinander trennen. Theodore Richards hatte damit bewiesen, dass ein Element verschiedene Atommassen haben kann, die als Isotope bezeichnet werden. 1922 erhielt Francis William Aston für die exakte Analyse eben dieser Isotope den Nobelpreis für Chemie.
 
R. Knauer, K. Viering

Universal-Lexikon. 2012.

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